
BERN - Parlamentarische Initiative eingereicht
11. November 2021
Bern will es wissen - via Parlament. Die geplante parlamentarische Initiative in der Stadt Bern wurde eingereicht. Ein engagiertes Team aus Politikerinnen, Wissenschaftler und engagierten Bürgerinnen aus der Stadt Bern haben es geschafft 30 Parlamentarierinnen zu gewinnen um die geplanten Initiative für einen wissenschaftlichen Pilotversuch zum Grundeinkommen an das Berner Parlament zu überliefern. Die Einreichung ist für den 11. November 2021 geplant.
Parlamentarische Initiative der Fraktionen GB/JA!, AL/GAP/PdA, GFL/EVP und SP/Juso zur Durchführung eines Pilotversuches zum bedingungslosen Grundeinkommen in der Stadt Bern.
Initiative
Gestützt auf Art. 68 GRSR stellen die unterzeichnenden Stadträt*innen deshalb dem Stadtrat folgendes Begehren zur Beschlussfassung:
Der Gemeinderat wird damit beauftragt, einen wissenschaftlich begleiteten Pilotversuch über ein Grundeinkommen durchzuführen. Details zur Durchführung und zum Projektdesign können dem angehängten Projektbeschrieb entnommen werden.
Der Pilotversuch wird über Eigenmittel der Stadt finanziert. Die ersetzende oder ergänzende Finanzierung über Drittmittel wird durch die Stadt geprüft.
Die wissenschaftliche Begleitung des Pilotversuchs wird von der Stadt Bern für eine oder mehrere unabhängige Forschungsinstitutionen ausgeschrieben. Zum Pilotversuch gehört auch eine entsprechende Kontrollgruppe ohne Grundeinkommen. Die Repräsentativität der Studie nach wissenschaftlichen Standards ist zu gewährleisten.
Die Dauer des Pilotversuchs soll mindestens 36 Monate betragen.
Die Stadt Bern sucht den Dialog und die Kooperation mit anderen Gemeinwesen in der Schweiz (insbesondere der Stadt Zürich), die vergleichbare Pilotversuche planen und/oder durchführen.
Bern, den 28. Oktober 2021
Komitee
Lea Bill
GB
Tabea Rai
AL
Francesca
Chukwunyere
GFL
Barbara Keller
SP
Nicole Bieri
Juso
Argumentarium
Weshalb braucht es solche Versuche:
Coronakrise und Strukturveränderungen durch DigitalisierungDie Massnahmen zur Eindämmung der Ausweitung des Coronavirus haben viele Menschen stark getroffen. Die Arbeitslosigkeit ist gestiegen, die Gesuche um Kurzarbeit haben im Dezember 2020 Rekordwerte erreicht, die Zahl der Langzeitarbeitslosen hat sich im November 2020 verdoppelt. Es ist damit zu rechnen, dass die Coronakrise Strukturveränderungen und die Digitalisierung des Arbeitsmarktes beschleunigen. Da die vorgelagerten Sozialsysteme auf Bundesebene temporär ausgeweitet worden sind, schlägt sich dies bisher in der Stadt Bern noch nicht in den Bezugszahlen der Sozialhilfe nieder. Es ist mittelfristig mit deutlich höheren Fallzahlen in der Sozialhilfe zu rechnen. Die Coronakrise wird sich mit zeitlicher Verzögerung in der Sozialhilfe bemerkbar machen, sobald die zusätzlichen vorgelagerten Leistungen des Bundes auslaufen, mehr Menschen ihren Anspruch auf Arbeitslosengeld ausgeschöpft und etwaiges Vermögen aufgebraucht haben. Die SKOS rechnet mit einer gesamtschweizerischen Zunahme der Sozialhilfe für 2022 um 21%.
Lücken im Sozialsystem
Im vergangenen Jahr haben sich verschiedene Lücken im System der sozialen Sicherheit gezeigt:
- Es handelt sich dabei einerseits um Soloselbständige, da der Anspruch auf Sozialhilfe nur besteht, wenn das gesamte Vermögen (für Einzelpersonen) auf unter 4000 Franken fällt. Darunter wird auch Geschäftsvermögen wie Rückstellungen, Mobiliar und ähnliches subsumiert. Selbstständigerwerbende, die nun ihren Bedarf bei der Sozialhilfe abklären, haben oft mit ihren Einnahmen jahrelang am oder unter dem sozialhilferechtlichen Existenzminimum gelebt. Sie haben in ihr Geschäft viel Herzblut, Zeit und Energie gesteckt. All das war ihnen wichtiger als der grosse finanzielle Gewinn. Ist das Geschäft nicht mehr rentabel wird von der Sozialhilfe beantragenden Person verlangt, dass sie das Geschäft aufgibt und sich eine Anstellung sucht (u.a. an einer Integrationsmassnahme teilnimmt).
- Andere Personen verzichten aus Furcht vor Nachteilen (Stigmatisierung, Rückzahlungspflicht, Entzug der Aufenthaltsbewilligung) auf die Anmeldung bei der Sozialhilfe. Besonders Menschen mit einer B- oder C-Bewilligung, welche eigentlich ein Anrecht auf Sozialhilfe hätten, verzichten oft auf eine Anmeldung, weil sie Angst haben vor dem Verlust der Aufenthaltsbewilligung oder fürchten, sich nicht mehr einbürgern zu können. Personen ohne gültige Aufenthaltsbewilligung (Sans-Papiers) fallen völlig durch die Maschen des sozialen Netzes.
Mittels Pilotversuch zu klärende Fragen:- Was löst ein monatliches Grundeinkommen in der Bevölkerung und bei Einzelpersonen aus?
- Macht es die Menschen passiv oder setzt es Kapazitäten für neue Engagements frei?
- Wie hoch soll ein Grundeinkommen sein?
- Wie wird es finanziert?
Wer ist berechtigt, beim wissenschaftlichen Pilotversuch mitzumachen?- Gemäss den Vorstellungen des Initiativkomitees sollen bei diesem Pilotversuch mindestens 300 Personen über drei Jahre ein bedingungsloses Grundeinkommen erhalten. Allerdings soll die wissenschaftliche Versuchsanordnung über die genaue Anzahl bestimmen.
- Ausgewählt werden können alle mündigen und in der Stadt Bern angemeldeten Personen, die entweder das Schweizer Bürgerrecht oder eine Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung besitzen. Beim Versuch wird eine repräsentative Gruppe von Proband*innen mit Grundeinkommen einer Vergleichsgruppe ohne Grundeinkommen gegenübergestellt. Den Teilnehmenden darf durch ihre Teilnahme am Versuch kein Nachteil erwachsen. Insbesondere dürfen die während der Teilnahme bezogenen Gelder nicht als Sozialhilfebezug gesehen werden und sie sind nicht rückzahlungspflichtig.
Wie hoch ist das Grundeinkommen?Die Höhe des Grundeinkommens darf nicht unter dem in der Stadt Bern üblichen Betrag für ein Soziales Existenzminimum plus Einkommensfreibetrag/Integrationszulage liegen. Der effektiv ausbezahlte Betrag sinkt mit zunehmendem steuerbarem Einkommen, bis er bei einem zu bestimmenden Einkommen 0 erreicht. So kann trotz unseres dreiteiligen Steuersystems (Stadt, Kanton, Bund) sichergestellt werden, dass ein möglichst unverfälschtes Szenario des Grundeinkommens getestet wird.
Wieviel kostet das ExperimentDie Berechnung der Kosten ist komplex und lässt sich erst nach der Durchführung des Pilotversuches eruieren. Dabei spielt die Anzahl der Proband*innen und die effektiv geleisteten Auszahlungen sowie die Kosten für die Durchführung der Studie selbst eine Rolle. Demgegenüber stehen direkte und indirekte Einsparungen, weil bestimmte Sozialleistungen nicht mehr geleistet und entsprechende Berechtigungen nicht mehr geprüft werden müssen. Die Stadt kann ausserdem versuchen Forschungsgelder und Spenden von Stiftungen für den Pilotversuch generieren.
Was bewirkt der Pilotversuch? Erwartete ResultateAussagen zu Auswirkungen auf Gesundheit, Bildung sowie bezahltem wie auch unbezahltem Engagement.
Der Pilotversuch will hier Licht ins Dunkel bringen und wissenschaftlich basierte Resultate liefern.Deine Unterstützung!
Um den Pilotversuchen zum Durchbruch zu verhelfen, sind wir auf Spenden angewiesen:
IBAN: CH05 0839 2000 1542 6831 3
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